Polizei bekriegt kriminelle Sekte
Viele Tote bei Razzien in Slum nahe Nairobi
VON JOHANNES DIETERICH
In Kenia herrscht Krieg zwischen den Sicherheitskräften und der Mungiki-Sekte. Nachdem Mitglieder der Sekte Anfang vergangener Woche zwei Polizisten enthauptet hatten, startete die Polizei eine mehrtägige Aktion im Slum Mathare nahe der Hauptstadt Nairobi. Die Hüttensiedlung, in der fast eine halbe Million Menschen leben, gilt als Hochburg der Geheimgesellschaft.
Im Rahmen der Aktion, an der rund 1000 Polizisten beteiligt waren, wurden mindestens 37 Menschen getötet und mehr als 250 festgenommen. Die meisten von ihnen, weil sie Widerstand geleistet und in mehreren Fällen sogar das Feuer auf die Sicherheitskräfte eröffnet hätten, so die Polizei. Slumbewohner beklagten sich dagegen über ein unverhältnismäßig brutales Vorgehen der schwerbewaffneten Ordnungskräfte.
BBC berichtet von Exekutionen
Eine BBC-Reporterin sprach sogar von regelrechten Exekutionen der Polizei: Sie habe mit eigenen Augen gesehen, wie Sicherheitskräfte verhaftete Personen zum Verhör in Hütten gezerrt und wenig später - nachdem Schüsse zu hören waren - tot herausgetragen hätten, berichtete Karen Allan aus dem Slum Mathare. Tausende sind inzwischen aus der Siedlung geflohenen. In einer E-mail kündigte die Sekte eine Verschärfung ihres Kampfes an.
Die Geheimgesellschaft entstand in den 80er Jahren und sieht sich selbst in der Nachfolge der Mau-Mau-Bewegung, die gegen die britische Kolonialherrschaft kämpfte. Mungiki, zu deutsch: "Vielzahl", hatte zunächst eine anti-westliche und anti-christliche Ausrichtung: Die Mitglieder beten Gottheiten an, die im Mount Kenia wohnen sollen, sie bestehen auf alt hergebrachten Praktiken wie der Beschneidung von Frauen, geloben geheime Eide und praktizieren blutige Aufnahmeriten.
Mafiöse Strukturen
In den vergangenen Jahren wandelte sich Organisation offenbar zu einer kriminellen Vereinigung. Nun soll die mafiöse Verbindung, der fast 100 000 Menschen angehören, fast ausschließlich von der Erpressung von Schutzgeld, der Erhebung illegaler "Steuern" und Entführungen leben. Wer versucht, sich ihrem Einfluss zu entziehen, läuft Gefahr, auf grausame Art hingerichtet zu werden: Allein in den vergangenen drei Monaten wurden zwölf Menschen enthauptet.
Der Organisation kommt auch politische Bedeutung zu, weil ihr fast ausschließlich Mitglieder des Mehrheitsvolks der Kikuyu angehören. Dem Ex-Staatspräsidenten Daniel arap Moi vom Minderheitenvolk der Kalenjin stand die Mungiki-Sekte offenbar kritisch gegenüber. Sie soll dessen Nachfolger Mwai Kibaki, ein Kikuyu, mit zum Wahlsieg verholfen haben. Mindestens fünf Ministern seines Kabinetts werden Verbindungen zu der Organisation nachgesagt. Die Organisation sei von der Regierung aber enttäuscht, sagt der Soziologe Ken Ouko, da diese die Interessen der Kikuyus nicht konsequent genug verfolge.
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benundclaudia - 11. Jun, 12:00