Gewaltorgien in Kenia
Gibt es Verbindungen zwischen Regierungskreisen und verbotener Sekte?
Von Anton Holberg
Am Montag explodierte im Zentrum von Kenias Hauptstadt Nairobi, nicht weit vom Ort eines verherenden Bombenatentats auf die US-Botschaft 1998, eine Bombe. Ein Mensch wurde getötet und über 30 verletzt. Täter und Hintermänner des Attentats sind unbekannt.
Genau eine Woche zuvor hatte die kenianische Polizei bei der Durchsuchung eines Versteckes mehr als 20 Widerstand leistende Mitglieder einer verbotenen religiösen Sekte erschossen. Die sogenannte Mungiki-Sekte steht unter anderem in Verdacht, an der Erschießung und Enthauptung von zwei Polizisten beteiligt gewesen zu sein.
Am 27. Dezember dieses Jahres finden in Kenia Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Präsident Mwai Kibaki steht deswegen unter Druck. Er ist mit seinen wichtigsten Versprechen, die ihm 2002 den Wahlsieg ermöglicht haben, gescheitert: dem Kampf gegen die Korruption und gegen die Armut. Nach wie vor lebt über die Hälfte der Kenianer unterhalb der Armutsgrenze, die Arbeitslosigkeit hat weiter zugenommen. Einer kürzlich durchgeführten Meinungsumfrage zufolge sind 39,9 Prozent aller Kenianer der Meinung, ihre wirtschaftliche Lage habe sich unter der gegenwärtigen Regierung verschlechtert, und nur 21,5 Prozent sagen, sie sei besser geworden.
In Kenia kursieren Gerüchte über Verbindungen zwischen Regierungspolitikern und der Mungiki-Sekte. Diese propagiert die Loslösung von christlichen Einflüssen und die Rückkehr zu traditionellen afrikanischen Bräuchen. Unter anderem wird auch die in Kenia mittlerweile offiziell verbotene Genitalverstümmelung bei Mädchen gefordert.
Dem Vernehmen nach wurde die Sekte 1989 gegründet und zwar als Opposition gegen die Herrschaft Arap Mois. Moi gehört dem nilotischen Volk der Kalenjin an. Die wichtigste Kraft im herrschenden Klassenblock in Kenia sind jedoch die Kikuyu, das mit ca. 25 Prozent größte Volk im Land. Die Kikuyu siedeln im fruchtbarsten Teil Kenias und konnten deshalb nach Abzug der weißen Siedler als erste eine bourgeoise Klasse herausbilden. Präsident Kibaki soll sich deshalb zumindest der wohlwollenden Duldung der Mungiki erfreuen, ist er doch der Vertreter par excellence dieser eingesessenen Kikuyu-Bourgeoisie. Allerdings rekrutiert sich die Sekte fast ausschließlich aus marginalisierten Jugendlichen. Ihr Abgleiten in gewöhnliche Bandenkriminalität ist auch eine Widerspiegelung der Perspektivlosigkeit der Jugend, spricht aber nicht gegen die Behauptung, daß die Sekte von verschiedenen Kikuyu-Politikern im Hintergrund finanziert wird.
Über das Sektenwesen hinaus ist das Präsidentenlager mit einer weiteren Welle der Gewalt im Lande konfrontiert. Bei den ethnischen Konflikten, die Kenia seit jeher plagen, geht es meist um den Zugang zum nur zu 8,1 Prozent agrarisch nutzbaren Boden. So kam es in den letzten Monaten in mehreren Provinzen zu Auseinandersetzungen, die Hunderte von Menschenleben forderten. So in der Rift Valley Provinz, im Samburu Distrikt, wo Samburu gegen Pokot kämpften, in Turkana South, wo Mitte Mai elf Menschen getötet und Hunderte Stück Vieh geraubt wurden, oder am Mount Elgon, wo 150 Menschen umgebracht wurden und 60 000 aus ihren Dörfern fliehen mußten.
http://www.jungewelt.de/2007/06-13/032.php
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Von Anton Holberg
Am Montag explodierte im Zentrum von Kenias Hauptstadt Nairobi, nicht weit vom Ort eines verherenden Bombenatentats auf die US-Botschaft 1998, eine Bombe. Ein Mensch wurde getötet und über 30 verletzt. Täter und Hintermänner des Attentats sind unbekannt.
Genau eine Woche zuvor hatte die kenianische Polizei bei der Durchsuchung eines Versteckes mehr als 20 Widerstand leistende Mitglieder einer verbotenen religiösen Sekte erschossen. Die sogenannte Mungiki-Sekte steht unter anderem in Verdacht, an der Erschießung und Enthauptung von zwei Polizisten beteiligt gewesen zu sein.
Am 27. Dezember dieses Jahres finden in Kenia Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Präsident Mwai Kibaki steht deswegen unter Druck. Er ist mit seinen wichtigsten Versprechen, die ihm 2002 den Wahlsieg ermöglicht haben, gescheitert: dem Kampf gegen die Korruption und gegen die Armut. Nach wie vor lebt über die Hälfte der Kenianer unterhalb der Armutsgrenze, die Arbeitslosigkeit hat weiter zugenommen. Einer kürzlich durchgeführten Meinungsumfrage zufolge sind 39,9 Prozent aller Kenianer der Meinung, ihre wirtschaftliche Lage habe sich unter der gegenwärtigen Regierung verschlechtert, und nur 21,5 Prozent sagen, sie sei besser geworden.
In Kenia kursieren Gerüchte über Verbindungen zwischen Regierungspolitikern und der Mungiki-Sekte. Diese propagiert die Loslösung von christlichen Einflüssen und die Rückkehr zu traditionellen afrikanischen Bräuchen. Unter anderem wird auch die in Kenia mittlerweile offiziell verbotene Genitalverstümmelung bei Mädchen gefordert.
Dem Vernehmen nach wurde die Sekte 1989 gegründet und zwar als Opposition gegen die Herrschaft Arap Mois. Moi gehört dem nilotischen Volk der Kalenjin an. Die wichtigste Kraft im herrschenden Klassenblock in Kenia sind jedoch die Kikuyu, das mit ca. 25 Prozent größte Volk im Land. Die Kikuyu siedeln im fruchtbarsten Teil Kenias und konnten deshalb nach Abzug der weißen Siedler als erste eine bourgeoise Klasse herausbilden. Präsident Kibaki soll sich deshalb zumindest der wohlwollenden Duldung der Mungiki erfreuen, ist er doch der Vertreter par excellence dieser eingesessenen Kikuyu-Bourgeoisie. Allerdings rekrutiert sich die Sekte fast ausschließlich aus marginalisierten Jugendlichen. Ihr Abgleiten in gewöhnliche Bandenkriminalität ist auch eine Widerspiegelung der Perspektivlosigkeit der Jugend, spricht aber nicht gegen die Behauptung, daß die Sekte von verschiedenen Kikuyu-Politikern im Hintergrund finanziert wird.
Über das Sektenwesen hinaus ist das Präsidentenlager mit einer weiteren Welle der Gewalt im Lande konfrontiert. Bei den ethnischen Konflikten, die Kenia seit jeher plagen, geht es meist um den Zugang zum nur zu 8,1 Prozent agrarisch nutzbaren Boden. So kam es in den letzten Monaten in mehreren Provinzen zu Auseinandersetzungen, die Hunderte von Menschenleben forderten. So in der Rift Valley Provinz, im Samburu Distrikt, wo Samburu gegen Pokot kämpften, in Turkana South, wo Mitte Mai elf Menschen getötet und Hunderte Stück Vieh geraubt wurden, oder am Mount Elgon, wo 150 Menschen umgebracht wurden und 60 000 aus ihren Dörfern fliehen mußten.
http://www.jungewelt.de/2007/06-13/032.php
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benundclaudia - 13. Jun, 12:12